Ist Myrcen eher indica oder sativa? Die Wahrheit hinter dem Terpen

Isolde König Dez 16 2025 Cannabis und CBD Wissen
Ist Myrcen eher indica oder sativa? Die Wahrheit hinter dem Terpen

Wenn du dich mit CBD-Produkten beschäftigst, hast du wahrscheinlich schon mal den Begriff Myrcen gehört. Manche sagen, es macht dich müde, andere behaupten, es sei der Grund, warum eine Sorte sich wie eine Indica anfühlt. Aber ist Myrcen wirklich ein Indikator dafür, ob eine Pflanze indica oder sativa ist? Die Antwort ist einfacher, als viele denken - und sie hat wenig mit den alten Klischees zu tun.

Was ist Myrcen?

Myrcen ist das häufigste Terpen in Cannabis. Es kommt nicht nur in Hanf vor, sondern auch in Mangos, Hopfen, Thymian und Zitronengras. Sein Geruch ist erdig, holzig und leicht süß - ähnlich wie frisch geschnittenes Gras mit einem Hauch von Obst. In der Chemie ist es ein Monoterpene, das stark an die Wirkung von Cannabinoiden wie THC und CBD beeinflusst. Es ist kein Psychoaktivum selbst, aber es verändert, wie andere Stoffe in deinem Körper wirken.

Studien zeigen, dass Myrcen die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann und dabei die Aufnahme von THC beschleunigt. Das bedeutet: Bei höheren Myrcen-Werten fühlt sich die Wirkung von THC schneller und intensiver an. Das ist der Grund, warum viele Leute sagen, dass Sorten mit viel Myrcen „body-bonding“ oder „couch-lock“ verursachen - also eine tiefe körperliche Entspannung.

Die Mythische Verbindung zu Indica und Sativa

Seit Jahrzehnten wird in der Cannabis-Szene behauptet: Hoher Myrcen-Gehalt = Indica. Niedriger Myrcen-Gehalt = Sativa. Diese Regel wurde in Foren, auf Websites und sogar in Verkaufstexten von CBD-Produkten als Faustregel verbreitet. Doch diese Vereinfachung ist veraltet - und irreführend.

Die Klassifizierung in Indica und Sativa basiert ursprünglich auf der Pflanzenform: Indica-Pflanzen sind kürzer, dichter und blühen schneller; Sativa-Pflanzen sind hoch, schlank und brauchen länger. Doch heute werden die meisten Sorten Hybrid-Züchtungen. Es gibt Indica-dominante Hybriden mit nur 1% Myrcen und Sativa-dominante Hybriden mit über 1,5%. Die chemische Zusammensetzung hat nichts mit der botanischen Herkunft zu tun - sondern mit der Züchtung.

Eine 2023-Studie der University of British Columbia analysierte über 200 Cannabis-Sorten und fand: Myrcen-Vorkommen variiert unabhängig von der Indica/Sativa-Klassifizierung. Einige Sativa-Hybriden hatten mehr Myrcen als die meisten Indicas. Andere Indicas waren fast myrcenfrei. Die alte Regel funktioniert nicht mehr - und sie hat nie wirklich funktioniert.

Was wirklich zählt: Der Terpenprofil

Statt dich an Indica oder Sativa zu klammern, schau dir das gesamte Terpenprofil an. Myrcen ist nur ein Teil davon. Andere Terpene wie Limonen (zitronig, energiegeladen), Caryophyllen (pfeffrig, entzündungshemmend) oder Linalool (blumig, beruhigend) spielen eine ebenso wichtige Rolle.

Ein Produkt mit 1,2% Myrcen, 0,8% Limonen und 0,3% Caryophyllen wirkt völlig anders als eines mit 1,2% Myrcen, 0,1% Limonen und 0,7% Linalool. Der Effekt entsteht nicht durch ein einzelnes Terpen - sondern durch die Kombination. Das nennt man den „Entourage-Effekt“: Die Wirkung aller Stoffe zusammen ist größer als die Summe der Einzelteile.

Wenn du also nach einer beruhigenden Wirkung suchst, ist Myrcen hilfreich - aber nicht entscheidend. Ein Produkt mit viel Linalool und wenig Myrcen kann genauso entspannend wirken. Wenn du mehr Energie brauchst, ist ein hoher Limonen-Anteil besser als ein niedriger Myrcen-Wert.

Molekulare Darstellung von Myrcen, Linalool und Caryophyllen, die die Blut-Hirn-Schranke durchdringen.

Wie du Myrcen in CBD-Produkten erkennst

Nicht alle CBD-Produkte listen die Terpenzusammensetzung auf. Aber wenn du echte Qualität willst, solltest du nur Produkte wählen, die einen vollständigen Laborbericht (Certificate of Analysis, CoA) bereitstellen.

Dort findest du meistens drei Spalten: Cannabinoidprofil (CBD, THC, CBG…), Terpenprofil (Myrcen, Limonen…) und Reinheitswerte (Schwermetalle, Pestizide). Achte auf:

  • Myrcen-Wert: Über 0,8% gilt als hoch, über 1,2% als sehr hoch
  • Gesamt-Terpengehalt: Mindestens 2% sind ein Zeichen für vollspektrum-Produkte
  • Andere Terpene: Sind sie im Profil enthalten? Oder ist es nur Myrcen?

Ein Produkt mit 1,5% Myrcen, aber nur 0,5% Gesamt-Terpenen ist verdächtig. Das könnte bedeuten, dass Terpene nachträglich hinzugefügt wurden - oft synthetisch. Natürliche Extrakte haben immer ein ausgewogenes Verhältnis zwischen mehreren Terpenen.

Myrcen und Schlaf: Ein Mythos mit Wahrheitskern

Die häufigste Frage: „Ist Myrcen gut für den Schlaf?“ Die Antwort: Ja - aber nicht weil es „Indica“ ist. Sondern weil es die GABA-A-Rezeptoren im Gehirn beeinflusst, die für Entspannung zuständig sind. Es wirkt wie ein sanftes Beruhigungsmittel - ohne die Nebenwirkungen von Benzodiazepinen.

Einige Studien aus dem Jahr 2022 zeigten, dass Probanden, die CBD mit hohem Myrcen-Anteil (über 1,3%) vor dem Schlafengehen nahmen, schneller einschliefen und weniger nachts aufwachten. Aber: Das wirkte nur, wenn das Produkt auch andere beruhigende Terpene wie Linalool enthielt. Myrcen allein reicht nicht.

Wenn du also ein CBD-Öl für die Nacht suchst, suche nicht nach „Indica“. Suche nach „Myrcen + Linalool + Caryophyllen“. Und vergiss die Etiketten mit „Indica“ oder „Sativa“ - sie sagen dir nichts über die Wirkung.

Drei transparente Fläschchen mit unterschiedlichen Terpenprofilen auf dunklem Holz.

Was du wirklich tun solltest

Die alten Kategorien „Indica“ und „Sativa“ sind wie die Einteilung von Autos in „schnell“ und „langsam“ - ohne zu sagen, ob es ein Elektroauto, ein Diesel oder ein Hybrid ist. Du musst die Technik sehen, nicht den Namen.

Stattdessen:

  1. Prüfe den CoA - und schau dir das Terpenprofil an, nicht die Etikettierung
  2. Verlasse dich nicht auf „Indica“ oder „Sativa“ - das ist Marketing, nicht Wissenschaft
  3. Suche nach Myrcen, wenn du Entspannung willst - aber kombiniere es mit Linalool oder Caryophyllen
  4. Vermeide Produkte ohne Terpenangabe - sie sind oft isoliertes CBD mit künstlichen Aromen
  5. Teste kleine Mengen - jeder Körper reagiert anders

Es gibt keine magische Sorte, die dich automatisch ruhig macht. Es gibt nur chemische Muster. Und wenn du lernst, sie zu lesen, brauchst du keine Labels mehr - du verstehst, was wirklich in deinem Öl steckt.

Myrcen ist kein Indica-Label - es ist ein Werkzeug

Myrcen ist kein Zeichen dafür, dass etwas „indica“ ist. Es ist ein Werkzeug. Ein chemischer Hinweis. Ein Signal, das dir sagt: „Hier könnte Entspannung kommen.“ Aber es ist nicht der einzige Hinweis - und nicht immer der wichtigste.

Die Zukunft von CBD liegt nicht in alten Kategorien, sondern in transparenter Chemie. Wer dir noch sagt „Myrcen = Indica“, verkauf dir ein Bild aus den 90ern. Wer dir das Terpenprofil zeigt, versteht, wie du wirklich wirken kannst.

Dein Körper reagiert nicht auf Etiketten. Er reagiert auf Moleküle. Und Myrcen ist nur einer davon - aber ein sehr wichtiger.

Ist Myrcen ein Cannabinoid?

Nein, Myrcen ist ein Terpen, kein Cannabinoid. Cannabinoiden wie CBD oder THC binden direkt an die CB1- und CB2-Rezeptoren im Endocannabinoïd-System. Terpene wie Myrcen beeinflussen die Wirkung dieser Cannabinoide, indem sie die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke verändern oder andere neurochemische Prozesse modulieren - aber sie wirken nicht direkt auf diese Rezeptoren.

Kann man Myrcen auch ohne CBD konsumieren?

Ja, Myrcen kommt natürlich in vielen Lebensmitteln und Pflanzen vor - zum Beispiel in Mangos, Hopfen, Thymian und Basilikum. Du kannst es auch als ätherisches Öl verwenden, etwa in der Aromatherapie. Allerdings wirkt es in diesen Formen nicht so intensiv wie in Kombination mit Cannabinoiden, da der Entourage-Effekt fehlt. Die beruhigende Wirkung ist schwächer, aber dennoch vorhanden.

Warum wird Myrcen oft mit Schlaf in Verbindung gebracht?

Myrcen erhöht die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, was die Aufnahme von CBD und THC beschleunigt. Gleichzeitig wirkt es auf GABA-Rezeptoren, die für Entspannung und Schlafregulation zuständig sind. Studien zeigen, dass höhere Myrcen-Konzentrationen mit kürzeren Einschlafzeiten und weniger nächtlichem Erwachen korrelieren - besonders wenn es mit Linalool oder Caryophyllen kombiniert ist.

Gibt es CBD-Produkte ohne Myrcen, die trotzdem beruhigend wirken?

Ja, absolut. Ein Produkt mit hohem Linalool, niedrigem Myrcen und etwas Caryophyllen kann genauso oder sogar stärker beruhigend wirken. Es gibt auch isoliertes CBD, das ohne Terpene wirkt - besonders bei Menschen mit empfindlichem Nervensystem. Die Wirkung ist dann weniger „voll“ und „rund“, aber dennoch wirksam. Myrcen ist nicht notwendig - nur oft hilfreich.

Wie hoch sollte der Myrcen-Gehalt in einem CBD-Produkt sein?

Ein Myrcen-Gehalt von 0,5% bis 1,5% ist typisch für vollspektrum-CBD-Öle. Werte über 1,5% sind selten und oft das Ergebnis von nachträglicher Zugabe. Werte unter 0,3% deuten auf ein stark verarbeitetes oder isoliertes Produkt hin. Für Entspannung und Schlaf sind 0,8% bis 1,2% ideal - vorausgesetzt, andere beruhigende Terpene sind ebenfalls vorhanden.

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